Die ersten drei Wochen

Seit exakt drei Wochen lebe ich nun in Costa Rica- einem Land voller Lebenslust, Herzlichkeit, Offenheit, wundervoller Natur, einer Auswahl an Früchten und Gemüsen wie ich es noch nie in meinem ganzen Leben gesehen habe, Musik und Tanz den ganzen Tag lang und vielem, vielem mehr!

Als ich am 20. Juli 2019 bei meiner Gastfamilie ankam, wurde ich herzlich empfangen, genau so wie man es immer gesagt bekommt; die Ticos und Ticas sind "gente muy amable". So scheuen sie auch keinen Körperkontakt und umgehend wird man geküsst und umarmt -egal ob von der Schwester einer Bekannten oder einem Mitschüler. Sofort nachdem meine Gastfamilie mich von meinem Ankunftscamp in San José abgeholt hatte, fuhren wir in ein Restaurant mit einem der schönsten Ausblicke in Alajuela, die Provinz in der ich lebe. Eine fast 180° Aussicht über üppige Wälder, saftig grüne Felder und die belebten Strassen. Belebt sind sie wirklich unheimlich, denn Costa Ricaner fahren überall hin und das tun sie sogar sehr gerne. Deshalb stört es auch niemanden, wenn der Rechtsvortritt missachtet wird oder man von rechts überholt wird, denn die Ticos und Ticas müssen nie irgendwo hin stressen. Gehupt wird nur, um einen vorbeifahrenden Bekannten zu begrüssen. Diese Gelassenheit und die Einstellung, dass morgen auch noch ein Tag ist war für mich am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig und ist es immer noch, zumal ich in der Schweiz einen sehr geordneten Tagesplan genoss, aber von Zeit zu Zeit passe ich mich mehr an diesen Lebensstil an. Die Angewöhnungsphase war aber auch in vielen anderen Bereichen deutlich spürbar. Obwohl ich ein knappes Jahr in der Schule Spanischunterricht bezog, fällt es mir doch schwer, mit den Leuten hier ein fliessendes Gespräch zu führen. Das Spanisch der Costa Ricaner unterscheidet sich sehr von dem der Spanier, nicht nur in Aussprache, aber auch im Vokabular, beispielsweise sind hier unter Jugendlichen Begriffe wie "MAE" sehr populär oder auch "muchacho y muchacha", was soviel wie "chico" oder eben "chica" bedeutet. Doch auch daran habe ich mich schon fast gewöhnt, es fehlt also nur noch die Übung. Zum Glück sind alle hier sehr geduldig mit mir und geben sich grösste Mühe, mich zu verstehen und mich zu ermutigen, mit ihnen zu sprechen.

Die Essgewohnheiten der Ticos und Ticos unterscheiden sich deutlich von meinen Schweizer Essgewohnheiten. Reis und Bohnen isst man hier zum Teil dreimal am Tag, dazu gibt es praktisch immer Fleisch. Dass am Nachmittag um 16:30 Uhr Kaffee getrunken wird, ist selbstverständlich und nicht zu umgehen, Selbst wenn man beteuert, dass man noch satt ist vom Mittagessen, wird man mit Kaffee und "pan" (eine Art Brot mit unterschiedlichen Füllungen) bedient. Zum einen essen die Ticos und Ticas also sehr viel, aber dennoch achten sie sehr darauf, dass sie sich gesund ernähren. Täglich werden also mehrere Früchte verdrückt, die man direkt vom Baum im Garten pflückt, egal ob Bananen, Mango oder Wasseräpfel. Sie sind aber auch sehr offen für neue Dinge und freuen sich riesig, wenn man sie bekocht mit einem speziellen Gericht aus dem eigenen Heimatland. Meine Gasteltern haben sich beispielsweise in den Schweizer Zopf verliebt und kaum dass er gegessen war, baten sie mich, ihn erneut zu backen, dieses Mal in der doppelten Menge. Was die Leute hier auch sehr interessiert, ist die deutsche Sprache und bereits jetzt bin ich zur Deutschlehrerin mutiert. Zum Teil ist das sehr lustig, denn den Ticos und Ticas fällt es ausserordentlich schwer, das "ch" auszusprechen und wenn ich mir ab und zu ein Lachen verdrücken muss, frage ich mich, wie mein Spanisch für sie wohl klingt...

In der Schule war ich bedauerlicherweise bisher nur drei mal, weil in Costa Rica die Schulen streiken, die Lehrer als auch die Schüler, weil sie unzufrieden sind mit dem Pensionsalter, jedoch sind sich nicht alle einig, was der ursprüngliche Grund für die Streiks ist. Daher kenne ich erst wenige Personen in meinem Alter, was mir am Anfang ziemliches Heimweh beschert hat, zumal ich unter der Woche den ganzen Tag zu Hause war und darüber nachdenken konnte, was jetzt wohl gerade in der Schweiz passiert, welche Uhrzeit gerade ist und so weiter. Doch mittlerweile geht es mir viel besser und nur noch ab und zu habe ich einen Anflug von Heimweh. Doch ich habe das Glück, bei einer sehr tollen und einfühlsamen Familie zu leben, die mich dann sofort ablenkt oder tröstet und viel Verständnis aufbringt. Zurück zur Schule: Ich besuche das "Liceo San Carlos", ein öffentliches "colegio", welches ich mit dem Bus leicht erreiche. Täglich gehen dort über tausend Schüler ein und aus, in meiner Klasse sind es ungefähr zwanzig Personen, was hier als sehr wenig gilt. Pro Jahrgang gibt es jedoch zehn Klassen, also sehr viel mehr als in meinem Gymnasium in der Schweiz. Der Unterrichtsstil ist komplett neu für mich, Lehrer und Schüler verhalten sich eher wie Freunde, aufstrecken gibt es nicht, wenn man etwas zu sagen hat, sagt man es einfach. Trifft man eine Lehrperson auf dem Gang, dann ist Handschlag angesagt und hat der oder die "profe" gerade Hunger, dann wird das  Frühstück ausgebreitet.  Meine Mitschüler sind alle sehr nett und vor allem sehr interessiert, den ganzen Tag fragen sie mich aus über die Schweiz und über mich und reagieren auf alles ganz begeistert. Dazu sind sie sehr hilfsbereit und wenn ich einmal mein Geld zähle, um ein Buch zu kaufen, erinnern sie mich sanft daran, dass wir hier in Costa Rica sind und man sein Geld besser nicht zählt. Also wie man sieht: Ich habe noch sehr viel zu lernen, aber ich freue mich unglaublich darauf! 

Schon sind wir am Ende meines ersten Berichts, vielen Dank, dass du unten angekommen bist und bis zum nächsten Mal! :))