Schon sind wieder zwei Wochen mehr um, in denen ich unglaublich viel erlebt habe. Die Tage vom 15. bis 19. August verbrachte ich im Rahmen eines Ausflugs meiner Austauschorganisation in Guanacaste, einer Provinz in Costa Rica. Guanacaste unterscheidet sich nochmals sehr deutlich von meiner Provinz, Alajuela. Das Klima ist viel tropischer und natürlich liegt immer der Geruch des salzigen Meeres in der Luft. Zu elft verbrachten wir die Tage in einer Herberge direkt am Strand Ostional, dem eine ganz besondere Geschichte zu Grunde liegt. Jeden Abend verlassen da nämlich Schildkröten der Art "Lora" das Meer, um im Sand ihre Eier (bis zu 90) zu vergraben, aus denen vierzig Tage später kleine Schildkröten schlüpfen, von denen dann nur ein kleiner Bruchteil überlebt, weil am Strand lauter Gefahren lauern. Von hungrigen Vögeln und Hunden bis zu Menschen, die die Eier einsammeln und Touristen zum Abendessen anbieten. Es empfiehlt sich, darauf zu verzichten Schildkröteneier einzupacken, die Bewohner der Ostionalküste wachen unglaublich aufmerksam über ihre Schildkröten, denn das ist ihre Lebensaufgabe. Wird man drei Mal beim Stehlen erwischt, so wird der eigene Name als Demütigung in die Tür eines Gebäudes eingeritzt und man wird ins Gefängnis gesteckt. Dieses Gebäude ist nicht irgendeines, sondern der Ort, wo befugte Leute die Eier hinbringen, die keinen Platz am Strand finden, weil er überflutet ist von Nachwuchs.
Die Leute, die in dieser Zone geboren wurden, sind dazu verpflichtet, dort zu bleiben und sich um die Schildkröten zu kümmern und als Auswertiger gibt es keine Chance, länger als für einen Urlaub zu bleiben. Es ist unglaublich beeindruckend, wie die Leute ihr Leben an die Schildkröten anpassen, so verzichten sie beispielsweise auf Strassenlaternen, um die gebärenden Schildkröten nicht zu irritieren. Am Freitagabend machten wir uns dann auf, um eine gebärende Schildkröte zu beobachten, was tatsächlich sehr beeindruckend ist, weil sie dabei wie in Trance ist und danach ganz langsam ihren Weg zurück ins Meer sucht. Am Samstagmorgen gingen wir wieder zum Strand, dieses Mal jedoch um schlüpfende Schildkröten vor Feinden zu beschützen, doch leider tauchten auch nach mehr als einer Stunde keine Schildkrötenbabys auf, stattdessen fanden wir nur die leeren Eierschalen vor. Viele der Eier platzen auch aufgrund der Hitze am Strand und durch den Klimawandel kommt das leider immer häufiger vor. Deshalb ist es umso wichtiger, die wenigen Überlebenden abzuschirmen vor Fressfeinden, denn ansonsten stirbt die Schildkrötenart aus. Trotzdem bereute ich es nicht, um fünf Uhr aufgestanden zu sein, denn der Strand ist besonders am Morgen wunderschön. Es kommen kaum Touristen, da die Nachbarstrände eine grosse Konkurrenz darstellen, das Wasser ist immer genug warm, um die Füsse zu baden und Sandstrand trifft unmittelbar auf das leuchtende Grün der Pflanzen. Auch Abends bei Sonnenuntergang kommt man sich wie in einem Bilderbuch vor. Am Samstagnachmittag wartete dann ein ganz besonderer Ausflug auf uns: Surfen am Strand Nosara! Tatsächlich hatte ich zuvor ein mulmiges Gefühl im Bauch was das Surfen angeht, doch kaum dass wir mit unseren Surfbrettern in die Wellen rannten, verliebte ich mich in den Sport. Für mich war es durchaus eine grosse Herausforderung, besonders die Balance ist gefragt und das richtige Gespür, welche Welle wohl passt für dein Können. Die neunzig Minuten vergingen auf jeden Fall wie im Flug, doch am nächsten Tag spürte ich sie deutlich in den Armen... ;) Den Sonntag verbrachten wir in San Juanillo, wo wir den Strand entlang gingen und Abfall einsammelten. Von Weitem sieht der Strand wunderschön aus, das Meer ist türkis und wieder verirren sich kaum Leute in diese Ecke. Doch sobald man etwas genauer hinsieht, findet man alles Mögliche. Schuhsohlen, Macheten, Brillen, aber auch Kühlschranktüren. Wir als Besucher konnten nur einen Bruchteil des Abfalls mitnehmen, aber auch hier sind die Anwohner unheimlich pflichtbewusst und kommen täglich her, um der Umwelt etwas Gutes zu tun. Das hat mich wirklich beeindruckt, wie ganze Familien den Strand entlang laufen und einfach aufräumen. Daran könnte sich so mancher ein Beispiel nehmen.
Am Montag war unsere Reise dann leider schon zu Ende und wir fuhren im Kleinbus zurück nach San José. Selbst diese Autofahrt war ein Erlebnis, von Guanacaste aus führt der Weg über die "puente de la amistad" ins Landesinnere. Eine enorme Brücke, die als Geschenk der taiwanesischen Regierung hier gebaut wurde. Genauso beeindruckend sind die kleineren, eigentlich unbedeutenden Brücken, weil links und rechts von ihnen so weit das Auge reicht Natur zu sehen ist, überzogen von einer leichten Dunstschicht. Und bevor es dann endgültig in Richtung städtische Umgebung geht wird man von einem Affen verabschiedet, der über das Autodach hüpft, frech von einem Baum schielt und sich dann auch schon weiterangelt.
Jetzt bin ich wieder zurück in Quesada, wo die Schule endlich regelmässig stattfindet und mein Alltag sich praktisch ganz eingependelt hat.
Ich kenne also schon einen ganz besonderen Strand, gehe wie die Ticos zur Schule und mache brav meine Hausaufgaben, konsultiere nur noch selten den Google Übersetzer und ist einmal kein Reis in Sicht, dann fühlt sich das ganz merkwürdig an. Fehlt also nur noch wenig und ich werde zur Costa Ricanerin!