Leben mit Alarmstufe Gelb

März, der schönste Frühlingsmonat in Costa Rica, die Felder und Strassenränder sind voll mit Bäumen, deren Blüten rosa, gelb oder weiss blühen und Licht in die Strassen bringen. Der schönste aller Bäume ist der "Cortés", der aber neunzig Prozent der Bevölkerung Pollenallergie beschert, sogar ich gehe niesend durch diesen Monat und das obwohl ich doch noch nie allergisch auf Pollen reagiert habe. Leider steht in meiner Schule direkt vor meinem Klassenzimmer ein riesiger "Cortés", der zwar alles schöner aussehen lässt, aber dafür für ziemlich viele verstopfte Nasen sorgt. Der März ist auch einer der schönsten Monate, um einen Strandausflug zu machen, denn trotz der strahlenden Sonne ist es nicht sehr heiss, da immer ein Wind weht. Nur leider ist der März auch der Monat der Prüfungen, sodass meine Gastgeschwister und ich die Tage zu Hause hinter dem Schreibtisch sitzend verbringen. Hier funktioniert das Prüfungssystem aber im allgemeinen sehr anders, während zwei Wochen hat man jeden Tag eine Prüfung und darf dafür schon um zwölf Uhr nach Hause gehen, die nächsten Prüfungen hat man dann ungefähr drei Monate später. Im Moment macht es aber nicht sehr viel, dass wir in Prüfungszeit stecken, denn wegen der Coronavirus-Situation wird einem natürlich empfohlen, das Haus sowieso möglichst selten zu verlassen. Der Virus ist vor ungefähr zehn Tagen hier in Costa Rica angekommen und seither ist das Land auf Alarmstufe gelb. Mir persönlich macht der Virus nicht so Angst, da die Regierung ganz genaue Regeln zum Händewaschen und zu Veranstaltungen rausgegeben hat, aber da meine Gastmutter unter Asthma leidet und bei uns auch meine Gastgrossmutter wohnt, gebe ich mir sehr viel Acht, sodass wir momentan auch das Cheerleading meiden, weil wir im Zentrum von Alajuela trainieren, wo der Virus am meisten ausgebreitet ist. Im Moment bin ich normal erkältet und aus Sicherheitsgründen darf ich nicht zur Schule gehen, die übrigens jeder Zeit geschlossen werden könnte. Falls das passiert, werden wir über eine Art Skype unterrichtet, damit nicht zu viel Schulstoff verloren geht. Ende des Monats war wieder einmal eine kleine Reise mit einem Teil der Austauschschülerinnen geplant, doch auch dieser Ausflug fällt höchstwahrscheinlich ins Wasser, genau wie der internationale Cheerleading-Wettbewerb am 22. März. Das Land fühlt sich ganz gelähmt an, auf dem Weg in die Schule sieht man kaum noch Menschen auf den Strassen. Diesen Sonntag hat meine kleine Gastschwester Geburtstag, doch meine Gasteltern haben entschieden, kein Fest zu veranstalten, denn wenn man hier die ganze Familie zu einlädt, sind es schon mehr als fünfzig Personen in einem Wohnzimmer. Die Costa Ricaner selber sind natürlich sehr verängstigt, Alkoholgel und Orangen sind ausverkauft, die ganze Bevölkerung ist wütend auf den Präsidenten, da er den Flughafen bis jetzt nicht geschlossen hat und man merkt deutlich, wie sie ihre ganze Hoffnung darin stecken, dass Gott sie beschützt und so beten wir jeden Morgen in der Schule. Es ist sehr interessant für mich zu sehen, wie man in einem anderen Land mit einer solchen Krisensituation umgeht, auch wenn die Verhaltensregeln hier ähnlich sind zur Schweiz, sind sie doch strikter. Ich hoffe, dass sich die Lage bis ich Costa Rica verlassen muss verbessert, um geplante Ausflüge und Pläne zu realisieren und die restliche Zeit sorgenfrei geniessen zu können, aber natürlich nicht nur hier, sondern überall, damit man wieder ruhig das Haus verlassen kann und alles wieder zum Normalzustand zurückkehrt. Abgesehen davon geht es mir sehr gut, ich habe in den letzten paar Wochen mein Spanisch nochmals verbessert, dafür aber mein Englisch sehr verloren, mit dem  Französisch geht es noch schlechter. Sogar im Deutschen vergesse ich manche Wörter, aber sobald ich wieder in der Schweiz bin, muss ich mich eher darum kümmern, das Spanisch nicht allzu schnell zu verlieren. Die Musik, die ich höre ist ebenfalls fast ausschliesslich auf spanisch, so bin ich zum Beispiel ein riesiger Carlos Rivera-Fan geworden und seit ich den Text des Reggaeton verstehe, bin ich nicht mehr so ein Fan davon... ;) Auch abgesehen von der Sprache, die sich schon komplett vertraut anfühlt, sagen mir die Leute tatsächlich, dass ich gar nicht mehr so ausländisch aussehe, ich habe hier tatsächlich meine ganz helle Hautfarbe etwas verloren, meine Haare sind weniger blond und anscheinend sieht man meiner Kleidung nach nicht mehr, dass ich Europäerin bin, was mir lustigerweise anfänglich sehr oft gesagt wurde. Jetzt, wo ich also schon wie eine echte Tica wirke, neigt sich mein Abenteuer dem Ende zu und sobald ich in der Schweiz bin, fühle ich mich wohl von Neuem wieder wie eine Ausländerin, die sich an ein komplett anderes Land gewöhnen muss.