Der Countdown beginnt

Ein weiterer Monat ist bereits Vergangenheit, ein Monat in Quarantäne. In dieser Zeit stelle ich bei mir oft gemischte Gefühle fest, an einem Tag kann ich meine Rückkehr in die Schweiz kaum erwarten, am nächsten Tag wünsche ich mir, hier zu bleiben, bis ich all die verpassten Dinge nachgeholt habe. Ein grosser Stressfaktor für mich ist mein Rückflugdatum. Durch die ungewisse Lage ist natürlich unklar, welche Flugzeuge wie geplant fliegen und welche nicht. Ich habe schon viele unterschiedliche Informationen bezüglich meiner Rückkehr bekommen und somit ändert sich auch ständig meine emotionale Situation. Ich versuche ein Gleichgewicht zu finden zwischen "den Moment geniessen" und "mich auf meine Heimreise vorbereiten" und solche kurzfristige Veränderungen erschweren mir diesen Prozess deutlich. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist Costa Rica gut unterwegs bezüglich dem Corona-Virus, es sind nur ungefähr 780 Fälle registriert und täglich werden es weniger Neuerkrankungen. Deshalb habe ich immer noch die Hoffnung, dass sich die Ausgangssperre aufhebt bis ich mich von Costa Rica verabschieden muss. Dass man danach weiterhin vorsichtig sein muss, ist mir natürlich bewusst, aber alleine schon ins Cheerleading zurück zu kehren, würde mich sehr glücklich machen. Es macht mir Angst, dass die Zeit so schnell vergeht, aber da ich das nicht ändern kann versuche ich, möglichst wenig darüber nachzudenken. 

Aber grundsätzlich muss ich sagen, dass meine Gastfamilie und ich die Zeit sehr gut überbrücken. Wir schauen Filme, spielen Bingo, mein Gastvater hat allen einen neuen Haarschnitt verpasst, wir machen Sport und natürlich haben wir auch alle virtuell Unterricht. Mein Gastbruder hat hier zu Hause sogar das berühmte Churchill vorbereitet, eine Art Coupe, der aus Kondensmilch, Milchpulver, Eis, Sirup und gekochten Früchten besteht und aus Puntarenas kommt, wo es am Strand massenweise verkauft wird. Tatsächlich hatte ich in unserem Garten für einen Moment das Gefühl, am Strand zu sein.  Das Highlight dieser Woche war der ungeplante Besuch eines Erdbeerzuchthauses, eigentlich sollten wir nur einer Bekannten etwas abliefern, doch am Ende stiessen wir auf unzählige Erdbeeren, von denen wir eine riesige Menge nach Hause nehmen durften. Es fühlte sich etwas merkwürdig an, da keine weitere Menschenseele zu sehen war, dafür konnten wir die Umgebung umso mehr geniessen. Jede noch so kleine Abwechslung tut uns gut. Deshalb hatten wir vor ein paar Wochen ein Schwimmbecken in unserem Garten aufgestellt und später auch eine Hängematte aufgehängt und meine Gastschwester hat wieder angefangen mir Bachata, Salsa und Merengue beizubringen. So vergeht also ein Tag nach dem anderen und ich bin trotz allem froh, nicht frühzeitig nach Hause gereist zu sein. In der Schweiz ist die Situation nicht besser und ich muss mich noch nicht von den Menschen verabschieden, die mir in dieser Zeit so ans Herz gewachsen sind. Noch immer sehe ich Palmen vor unserem Haus und prächtige Sonnenuntergänge, ich verbessere weiterhin mein Spanisch und ich staune immer noch täglich über die grosse Menge an Kolibris. Auch wenn es sich zwischendurch so anfühlt, mein Austauschjahr ist noch nicht vorbei, ich lebe immer noch ein aussergewöhnliches Abenteuer. Denn wie wir alle wissen, gehören zu solchen Abenteuern auch schwierige Zeiten, die einen stärker und dankbarer machen.